Ein halbes Jahr ist vergangen ohne einem einzigen Eintrag auf unserer Website. So war das nicht geplant. Nein im Gegenteil – gerade die Rueckkehr wollte ich genauso dokumentieren wie auch unsere Reise. Oft habe ich mich gefragt, warum die Blogs anderer Segler so ploetzlich enden, wenn Sie an Land zurueckkehren ? Die Antwort ist einfach: Das Leben an Land laesst einem kaum Zeit fuer solcherart ‘Freizeitvergnuegen’ und es passiert zu viel, das Leben ist zu hektisch und letzten Endes auch oft zu deprimierend, als dass man all dies oeffentlich dokumentieren moechte.
Die Frage, die wir in den vergangenen Monaten am haeufigsten hoerten ist: ‘Und, habt ihr euch schon wieder eingelebt ?’ Diese Frage wird glaube ich gestellt, ohne viel darueber nachzudenken, was nun als Antwort kommen koennte. Genauso wie auf die Frage ‘Wie geht’s ?’ erwartet man ohne grosse Umschweife ein ‘Ja, gut.’ und moechte nicht mit einem Vortrag ueber die Vor- und Nachteile von Lebensweisen und was einem eigentlich im Leben wichtig ist beantwortet bekommen. So koennte ich nun schreiben: ‘Ja, wir haben uns eingelebt.’ Nun seid ihr alle schlauer, was ?
Oder soll ich lieber doch ein wenig in die Tiefe gehen und mal erzaehlen, was in den letzten Monaten so los war ? Ja ? Gut.
Also das Ankommen nach drei Jahren Leben auf dem Schiff war schoen. Die alten Freunde in die Arme zu nehmen, die vertraute Umgebung, Familie, die Freunde der Kinder. All dies wunderbare Sachen. Doch haben wir von segelnden Freunden schon vorher erfahren, dass der eigentliche Aufprall erst nach Wochen kommt und der ist hart. Genauso war es auch bei uns.
Am meisten vermisse ich aber die tiefen, langen Gespraeche mit unseren segelnden Freunden. Hier an Land haben die meisten Menschen keine Zeit oder haben einfach Angst, mal ein wenig tiefer einzudringen. So bleiben Konversationen meist recht nah an der Oberflaeche, was mich langweilt und frustriert. Vor allem aber die Tatsache, dass man sich damit wohl frueher oder spaeter abfindet und diese Situation wieder als ‘normal’ akzeptiert. Das tut weh.
Die Kinder waren schnell in der neuen Schule integriert, Viola hatte keinerlei Probleme in der ersten Klasse und findet sich mit ihren Leistungen in den oberen 10%, was uns keineswegs ueberraschte. Bruno hingegen hatte es schon etwas schwerer, in der dritten Stufe aufgenommen zu werden und vor allem beim Lesen und Schreiben war er doch deutlich langsamer als der Durchschnitt. Auch das ueberraschte uns nicht, hatten wir doch Bordschule immer auf Spanisch und Deutsch gemacht, nun aber war der Unterricht ploetzlich auf Englisch. Aber nach ein paar Monaten hatte auch er sich zurechtgefunden, befindet sich nun im unteren Mittelfeld und seine Lehrer sind sich sicher, dass er bis zum Jahresende im oberhalb des Durchschnittes zu finden sein wird. Hier muessen wir uns also keine Sorgen machen (auch wenn uns die Schulsituation vor unserer Rueckkehr sicher die meisten Gedanken machte). Die Kinder haben viele Freunde, schlafen regelmaessig auswaerts und laden andere Kinder zu uns ein. Kurzum alles gut.
Wie geht’s also den Grossen ? Nun, wir haben ein wenig mehr zu kaempfen. Da ist zu allererst natuerlich das Organisatorische (Wohnung, Versicherung, Schule, Steuer, Beruf) – doch das war relativ schnell gelost. Schwieriger war fuer mich die Tatsache, dass sich gesellschaftlich, wirtschaftlich und politisch waehrend unserer Abwesenheit nichts gebessert hatte. Im Gegenteil denke ich, dass Europa mit seiner furchtbaren, aber selbst gewaehlten Abhaengigkeit von den USA immer tiefer in die Rezession schlittern wird. Und unsere ‘Helfer’ von IWF, EZB und der Europaeischen Kommission machen alles, um die Situation eskalieren zu lassen, die Reichen reicher zu machen und den Grossteil der Bevoelkerungen der betroffenen Staaten (Spanien, Portugal, Griechenland) in die Armut zu treiben. Die Veroeffentlichungen zu den NSA Skandalen sind kein Thema, der ‘Untersuchungsausschuss’ wurde nach der ersten, versuchten Anhoerung aufgelassen, Business muss weitergehen. Business ist wichtig. Vollgas Richtung Abrgund ! Auch wenn’s auf Kosten der Bevoelkerung geht. Ich finde diese Entwicklungen brisant um es gelinde auszudruecken und es bedrueckt mich sehr, wenn ich in die Zukunft schaue. Hier kommt aber auch einer der wichtigsten Aspekte unserer Reise ins Spiel: Selbst wenn ich mir noch so finstere Zukunftszenarien ausdenke, ich habe immer noch die Gewissheit, das ein anderes Leben moeglich ist. Und dass WIR dieses andere Leben auch fuehren koennen – schliesslich haben wir das ja auch mehrere Jahre so gemacht. Aber es gibt kleine Keime der Hoffnung. Sie heissen Podemos oder Tsipras und zeigen, dass man die Hoffnung auf eine bessere Zukunft noch nicht begraben sollte.
Jetzt bin ich voellig ins Politische abgeschweift. Aber gut, das ist nun mal ein wichtiges Thema das uns alle und unsere Zukunft bestimmt. Was machen wir also nun so ? Gui arbeitet weiter fleissig an ihrem Modelabel Coquito und war nach Weihnachten ein Monat in Argentinien um ihre neue Kollektion zu entwerfen. Nebenbei arbeitet sie drei bis vier Tage die Woche in einem kleinen franzoesischen Lokal. Ich habe nach unserer Rueckkehr bei meiner alten Firma einen Job angeboten bekommen. Wieder am Schreibtisch, statt mit dem Schraubenschluessel im Motorraum ist nicht unbedingt besser, aber bringt mehr Geld. Und dieser Job sichert uns das Ueberleben. Dennoch moechte ich lieber wieder etwas eigenes machen und so bin ich zur Zeit mit einer Kollegin dabei, eine neue Firma zu gruenden. Eine genauere Vorstellung wird es sicher demnaechst hier geben, aber ein wenig kann ich ja schon berichten. Wir helfen kleinen Unternehmen, Energie zu sparen und werden spaeter mit einem kleinen Produkt wohl auch in den Endkundenmarkt einsteigen. Das macht richtig Spass, beinhaltet Elektronik, Elektrik, verschiedene Arten der Programmierung und natuerlich auch Kundenkontakte vor Ort. Eine tolle Sache. Und das beste daran ist, dass wir mit unserer Arbeit helfen Energie zu sparen und so unsere Lebensweise zumindest ein kleines Stueckchen verbessern.
Gleichzeitig bedeutet das natuerlich auch, dass wir beide meist sechs Tage die Woche arbeiten, waehrend unsere Kinder ihre Zeit in einer Ganztagsschule verbringen. Wir sehen uns nur kurz am Abend, waehrend alle meist totmuede sind. Die Wochenenden arbeiten wir abwechselnd, so dass kaum Zeit bleibt mal irgendwelche Aktivitaeten als Familie zu unternehmen. Es war uns klar, dass die Rueckkehr in die ‘Zivilisation’ nicht einfach sein wuerde, doch so hart hatten wir es uns auch nicht vorgestellt. Dennoch, der Fruehling ist im Anmarsch und langsam aber sicher fuegt sich eines zum anderen und wir blicken wieder optimistischer in die Zukunft.
Viele Freunde fragen auch immer wieder, ob ich nicht ein Buch ueber unsere Reise schreiben moechte ? Ja. Das will ich. Nur habe ich dafuer bislang einfach wirklich keine Zeit gefunden und mit zwei Jobs und all den Alltagsproblemen auch nicht den Kopf, mich wirklich reinzudenken. Aber ich bin mir sicher, sobald sich die Situation weiter beruhigt, setze ich mich auch zuhause wieder oefter vor den Rechner und dann wird das vermutlich recht schnell passieren. Die Ideen sind schon alle im Kopf und das schon seit laengerer Zeit. Gebt also die Hoffnung an dieser Stelle nicht auf.
Der beste Teil ist, dass wir in zwei Wochen mal wieder segeln gehen werden ! Zwar nicht in den Tropen, aber eine kleine Runde mit Freunden in Flensburg wird uns sicher auch sehr gut tun. Tja und die Tropen ruecken auch irgendwie naeher, denn ich werde Ende Maerz nach Australien fliegen muessen, um mich mal um die Suvarov zu kuemmern. Es gibt zwei Kaufinteressenten und das Schiff muss mal wieder ein wenig gepflegt und bewegt werden. Drueckt uns die Daumen, dass sich vielleicht auch ein Kaeufer entscheidet. Das wuerde uns den Fruehlingsanfang wirklich versuessen !
Danke für Deinen Bericht zum Ankommen, bin auch Segler allerdings noch nie länger als ein zwei Wochen im Jahr, glaube aber trotzdem mich ein wenig in die härte des wieder “einfügen” in die sogenannte Zivilisation reinfühlen zu können, ich glaube das ich auch ziemliche Probleme haben würde da die Situation (politisch) wie Du sie beschreibst ziemlich frustrierend ist und man sich wirklich oft fragt wo ist da noch Sinn dahinter, so ein leben zu führen aber momentan wurschteln wir weiter. Wünsche Euch alles Gute, und würde mich freuen wieder was zu hören.
Liebe Grüße Andreas Koch.